Mobilität in Krisenzeiten: Auswirkungen der Corona-Pandemie auf den Masterstudiengang Management Franco-Allemand

Mobilität in Krisenzeiten: Auswirkungen der Corona-Pandemie auf den Masterstudiengang Management Franco-Allemand

Wir blicken zurück auf ein Jahr im Ausnahmezustand. Vieles hat sich während dieser Zeit verändert. Viele mussten mit schmerzhaften Verlusten umgehen. In Frankreich lernte man während des confinement, wie wertvoll eine Stunde an der frischen Luft für den Alltag sein kann – in Deutschland musste man sich mit Einschnitten in das tägliche Leben wie der Maskenpflicht zurechtfinden.
Aber auch darüber hinaus fanden große Veränderungen statt. Für Menschen, die – wie die meisten von uns – zwischen zwei Kulturen und zwei Ländern leben, bedeutete das vergangene Jahr mit Unsicherheiten wie geschlossenen Grenzen und eingeschränkter Reisefreiheit umzugehen. Das hatte und hat ohne Zweifel Auswirkungen auf alle Aspekte des Lebens: vom Persönlichen, über Ausbildung, Berufliches und Reisen.
In diesem Artikel werfen wir ein Licht darauf, was die Corona-Krise und die damit einhergehende eingeschränkte Mobilität für deutsch-französische Studiengänge bedeutet.

Der Master Management Franco-Allemand ist ein kombinierter Studiengang zwischen der Hochschule Mainz und der Université de Lorraine in Metz. In vier Semestern entwickeln die deutschen und französischen Studierenden neben wirtschaftlichen Fachkenntnissen interkulturelle Kompetenzen und den Umgang mit einem internationalen Arbeitsumfeld. Deutsche Studierende absolvieren sowohl nach dem ersten Semester in Metz als auch nach dem dritten Semester in Mainz jeweils ein fünf- bis sechsmonatiges Praktikum in einem französischsprachigen Land – gleiches gilt umgekehrt für die französischen Studierenden. Das dreisprachige Studienprogramm wird von der Deutsch-Französischen Hochschule anerkannt und gefördert.

Wie wir sehen können, ist Mobilität eines der zentralen Elemente des Studiengangs Management Franco-Allemand. Der Beginn der Corona-Krise vor mehr als einem Jahr kam somit als Schock und brachte den interkulturellen Austausch zeitweise wortwörtlich zum Stillstand: Zum Zeitpunkt der innereuropäischen Grenzschließungen befanden sich die Studierenden des Masterstudiengangs vor dem Antritt einer Praktikumsphase im Partnerland … und durften plötzlich nicht mehr reisen. Waren sie also nicht bereits zuvor auf der anderen Seite des Rheins angekommen, war es ihnen nicht mehr möglich, an den Praktikumsort zu gelangen und diesen festen Bestandteil des Studiums vollständig zu absolvieren.

Austausch ohne Mobilität?

Während die finanzielle Mobilitätsbeihilfe, die die Deutsch-Französische Hochschule den Studierenden zur Unterstützung auszahlt, nach reiflicher Überlegung auch trotz fehlender Mobilität nicht zurückgezahlt werden musste, waren die Probleme dennoch nicht vorüber: Während die Mehrzahl der Praktika nun rein im Homeoffice stattfand, wurden einige von Unternehmensseite her nach wenigen Wochen ausgesetzt und schließlich – durch das Anhalten der pandemischen Lage – abgebrochen. Die Administration des Studiengangs entschied sich bezüglich der Anerkennung der Praktikumsleistung für Flexibilität: Auch zeitlich kürzere Praktika als von der Studienordnung vorgeschrieben wurden akzeptiert. Diese Herangehensweise wird notwendigerweise auch für die Praktikumsphase in diesem Jahr als Maßstab gelten.

Auch für Lehrveranstaltungen und im Universitätsalltag galt ab dem Herbst 2020 die Devise „Fahren auf Sicht“. Die einzuhaltenden Sicherheitsabstände führten dazu, dass die Räume mit ausreichender Größe für eine Gruppe von 30 Studierenden meist ausgebucht waren. So entschied sich die Studiengangsleitung schnell dafür – mit wenigen Ausnahmen, in denen Hybrid-Lehre möglich war – reine Online-Lehre zu betreiben.

Die technische Seite stellte hierbei durchaus eine Herausforderung dar. Obwohl für die hybride Lehre ein Mediensystem genutzt werden konnte, war es in der Anwendung alles andere als praktisch. Beispielsweise konnten Online-Zugeschaltete die Dozierenden nicht mehr verstehen, sobald sich diese im Raum bewegten. Bei der reinen Online-Lehre machten es sich einige Dozierende sehr einfach, indem sie lediglich Materialien und einen Semesterplan online stellten und anschließend bis zur Klausur nicht mehr erreichbar waren. Diese Vorgehensweise war für viele der Studierenden sehr demotivierend, sodass sie die wöchentlichen Aufgaben bis kurz vor der Klausur aufschoben und dann merkten, dass es viel zu viel Stoff war, um ihn in einer kurzen Zeit nachzuholen.

Allerdings gab es auch sehr positive Beispiele, wie Modelle zur synchronen Lehre, bei denen die Studierenden Materialien im Laufe einer Woche ansehen und man sich zum Zeitpunkt des üblichen Kurstermins über einen Videochat gemeinsam trifft und das Erarbeitete bespricht.

“Ich habe vor allem synchron gelehrt, also, alles erklärt, als ob ich vor Ort an der Tafel oder mit einer Präsentation vor dem Kurs stehe. Und dann habe ich Diskussionen mit Gruppenarbeit und Break-out-Rooms initiiert. Einfach weil es mir wichtig war, die Studierenden zu sehen, irgendwie ein bisschen Normalität zu simulieren und nicht nur Präsentationen mit Tonspur hochzuladen und gar keinen Kontakt mehr zueinander zu haben.”

Dr. Karin Ewert-Kling, Studiengangskoordinatorin

Herausforderungen für die Interkulturalität

Die notwendige Neuerfindung der Lehrmethoden gepaart mit der unsicheren allgemeinen Lage bedeutete für die meisten Studierenden, dass sie kaum reellen Kontakt zu ihren Kommilitonen hatten. Einige entschieden auch, nicht am Studienort zu leben, um so beispielsweise Kosten zu sparen oder der Isolation im kleinen Wohnheimzimmer zu entkommen.Da die Studienphasen in Studiengängen wie dem Master Management Franco-Allemand recht komprimiert sind, um Raum für möglichst lange Praxisphasen zu schaffen, können Zusammenarbeit und Unterstützung zwischen den Studierenden eines Jahrgangs ein großer Vorteil sein. Gerade für diejenigen Jahrgänge, die sich seit Beginn der Krise ausschließlich digital erleben, ist diese Art des interkulturellen Austauschs auf ein Minimum reduziert. Die Studierenden verbringen ihre Mittagspausen nicht gemeinsam, können nicht auf eine geschaffte Klausur anstoßen, nicht kurz bei ihrem Sitznachbarn nachfragen, wenn sie einen Satz nicht verstanden haben – kurzum: Das Bilden von Freundschaften und Zusammenhalt wird erschwert. Natürlich verstehen sich nicht alle Jahrgänge blendend, doch die Corona-Krise, und insbesondere die Online-Lehre, macht Interkulturalität an dieser Stelle sicher nicht einfacher.

Was bleibt?

Sicherlich hat man durch die Corona-Krise gelernt, dass Vieles digital gelöst werden kann. Diese organisatorische Flexibilität wird sicherlich auch in Zukunft erhalten bleiben – zum Beispiel für die Einladung zu Alumni-Tagen, an denen in digitaler Form Menschen in aller Welt teilnehmen können, oder Online-Info-Veranstaltungen für Studieninteressierte, die ohne jeden Reiseaufwand umgesetzt werden können. Dennoch sollte man nicht vergessen, dass sowohl Präsenz- als auch Online-Veranstaltungen ihre Vor- und Nachteile haben, und dass man klar abwägen sollte, welche Lösung sich in welcher Situation anbietet:

“Meine persönliche Sorge ist es, dass Vieles jetzt einfach digital umgesetzt wird, weil man gemerkt hat, dass es gut funktioniert. Aber gerade für internationale Studiengänge finde ich es sehr wichtig, dass wir physisch im anderen Land leben und auch den Anderen vor Ort kennenlernen.”

Dr. Karin Ewert-Kling, Studiengangskoordinatorin

Die Situation hat klar gezeigt, dass man nicht auf eine solche Krise vorbereitet war – aber auch, dass man mit ausreichend Flexibilität in der Lage ist, Lösungen zu finden. Lösungen, die sicherlich nicht immer ideal sind – gerade in Bezug auf den Erwerb von interkulturellen Kompetenzen und die mentale Gesundheit von Studierenden und Dozierenden. Doch man kann auch stolz darauf sein, die Situation bisher unter diesen suboptimalen Umständen gemeistert zu haben. Eine gewisse ouverture d’esprit und Verständnis füreinander sind sicherlich die besten Werkzeuge.


Für die Erstellung dieses Artikels sprachen wir mit Dr. Karin Ewert-Kling, Studiengangskoordinatorin des Master Management Franco-Allemand und des argentinisch-deutschen Masterstudiengang Maestría Argentino-Alemana an der Hochschule Mainz. Sie promovierte an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf in französischer und spanischer Sprachwissenschaft.